Große Klavierwerke von Robert und Clara Schumann
Robert Schumann war der überragende Komponist der deutschen Klavierromantik. Seine Frau Clara zählte zu den bedeutendsten Pianisten ihrer Zeit. Stark von ihm angeregt, schuf auch sie wundervolle Klavierwerke, doch als Komponistin hatte sie es schwer im Schatten ihres Gatten.
Wolfram Lorenzen, der als Pianist für die deutsche Tradition nach Wilhelm Kempff steht, vereint nun anlässlich Robert Schumanns 200. Geburtsjahr Kompositionen von Robert und Clara auf seiner neuesten CD bei Troubadisc. Er knüpft damit an seine vielgepriesene letzte Schumann-Einspielung an, die populäre Werke wie den ‚Faschingsschwank aus Wien’ mit weniger bekannten verband und von Peter Cossé in Klassik heute als „mutige, kraftvolle Interpretation“ und „wertvoller, insgesamt hochsolider, verantwortungsvoller Beitrag zum Schumann-Jahr“ gepriesen wurde.
Den Auftakt bildet Robert Schumanns genialisches Opus 1, die von Frische, Wagemut und Originalität überbordenen Abegg-Variationen von 1830. Er schrieb sie für eine verehrte Frau Abegg (das Thema auf die Tonbuchstaben A-B-E-G-G), über die er sich später geflissentlich ausschwieg. Schon hier bezaubert Schumann als Erneuerer der sich aus vielgestaltigen kleinen Episoden zusammensetzenden, mit einem zyklisch überhöhenden Finale schließenden anspruchsvollen Form.
Clara Schumann schrieb ihre einzige Klaviersonate in g-moll 1841-42. Zwei Sätze daraus stellte sie rechtzeitig als Weihnachtsgeschenk für ihren Mann fertig, Adagio und Finale folgten noch im Januar. Im Druck ist zu ihren Lebzeiten nur das Scherzo erschienen, und es scheint, dass sie selbst das Werk unter Verschluss gehalten hat. So wurde die Sonate erst 1989 in Zwickau uraufgeführt und erschien 1991, 150 Jahre nach ihrem Entstehen, im Druck. Das 18-minütige Werk ist deutlich von Robert Schumann inspiriert und nimmt für sich ein mit schönen Melodien, feiner Faktur, klar balancierter Form und anmutigem Ausdruck. Die Ecksätze sind ambitionierter gestaltet, die beiden Mittelsätze feinfühlige Miniaturen.
Robert Schumanns Novelletten op. 21 entstanden 1838. Die acht Stücke können zwar teils auch einzeln gespielt werden, doch als Ganzes ergeben sie einen bunten Bilderbogen von symphonisch zusammenhängender Dimension, der in einem großen Finale aufgipfelt, das zugleich als Rekapitulation und Apotheose des Vorangegangenen fungiert. Schumann hat die Gattung der Novellette erfunden, als musikalische Miniaturform der literarischen Novelle, und andere (wie Niels Gade) folgten ihm darin nach. Diese Musik ist in engem Bezug zu Geschichtenerzählungen entstanden, die sowohl aus dem Leben gegriffen (der Widerstand von Claras Vater gegen die Ehe mit Robert) als auch der großen Literatur (Shakespeare) entnommen sind. Doch sind sie keine Programmmusik, weswegen Schumann alle außermusikalischen Hinweise wegließ. Sie sind beseelte Zeugnisse der romantischen Fantastik voller Geheimnisse, Irrationalität, visionärer Sehnsucht. Die Novelletten werden selten als ganzer, dreiviertelstündiger Zyklus aufgeführt und gehören in ihrer unerschöpflichen Hintergründigkeit zum Schönsten, was die romantische Epoche an Klaviermusik hervorgebracht hat.
Wolfram Lorenzen
Clara Wieck 1840