Große unbekannte Konzertwerke für Klavier und Orchester
Wolfram Lorenzen, bekannt als ein Pianist, der für die deutsche Tradition nach Wilhelm Kempff steht und von der Kritik immer wieder insbesondere für seine hochkarätigen Einspielungen von Werken Robert Schumanns und Max Regers gepriesen wurde, präsentiert uns hier eine wahre Fundgrube unterschätzten, vernachlässigten Repertoires für Klavier und Orchester von drei Komponisten, die zu den ganz Großen ihrer jeweiligen Epoche zählen.
Hauptstück ist das monumentale Klavierkonzert op. 114 von Max Reger, komponiert 1910. Es ist ein kolossales Werk, von Zeitgenossen teils als wildes Ungetüm empfunden, ebenso emphatisch begrüßt wie heftig abgelehnt. Die einen sahen in Reger den Fortführer der deutschen klassischen Linie von Bach über Beethoven und Brahms ins Unbekannte, die anderen bekämpften ihn als „delirierenden“ Chromatiker. An der Umstrittenheit, an Regers polarisierender Kraft hat sich bis heute nichts geändert. Bei den Pianisten ist das Konzert zu Recht gefürchtet, nur echte Könner haben sich darin bewährt. Lorenzen ist zu hören in einem fulminanten Live-Mitschnitt von 1997 aus St. Gallen.
Der Kopfsatz ist in dem immensen harmonischen Reichtum auf engstem Raum, in der unerschöpflichen Verwandlungskunst der thematischen Gebilde, den auch in den Tempokontrasten sich niederschlagenden gewaltigen Gegensätzen und der weit ausgreifenden Form ein Musterbeispiel von Regers symphonischem Schaffen. Der Klavierpart ist eng mit den Orchesterstimmen verwoben und zugleich solistisch sehr dankbar. Das Largo con gran espressione als Herzstück des Konzerts bestrickt mit mysteriösem Zauber, feinsten Übergängen und sanglich entrückter Religioso-Atmosphäre. Für viele überraschend dürfte der zart verhaltene Grundcharakter des Allegro con spirito-Finales sein, der im Gestus, nicht aber im Stil an den Schlusssatz von Brahms’ Zweitem Klavierkonzert erinnert. Regers Klavierkonzert ist eines der herausragenden Solokonzerte der Umbruchzeit von der Nachromantik zur klassischen Moderne.
Die Rhapsodie op. 1 von Béla Bartók ist das früheste Werk, das Ungarns bedeutendster Komponist auch in späteren Jahren noch schätzte. Zugleich ist es ein Bindeglied zwischen der Liszt’schen rhapsodischen Traditionslinie und Bartóks überragendem Status als großer Erneuerer in der Musik seiner Zeit. Hier gibt es tatsächlich noch den unbekannten Bartók zu entdecken, der auf der Suche nach seiner ureigenen Sprache die improvisations-artigen Strukturen der Volksmusik entdeckt und in eine konzertante Form bringt.
Felix Mendelssohns Capriccio brillant op. 22, entstanden als Elaborat seines populären Rondo capriccioso für Klavier solo, war lange Zeit sehr beliebt. Doch heute werden einsätzige Konzertstücke nur noch selten im Konzertsaal dargeboten. Diese Stuttgarter Rundfunkproduktion mit Ernest Bour ist eine schöne Gelegenheit zur Wiederentdeckung eines inspirierten Kleinods aus Mendelssohns Meisterjahren, durchweht von der frischen Jugendlichkeit und zeitlosen, verfeinerten Eleganz, die für ihn so bezeichnend sind.
PIANO CONCERTOS
Felix Mendelssohn Bartholdy
Capriccio brillant für Klavier und Orchester op.22
Radio-Sinfonieorchester Stuttgart, Dirigent Ernest Bour
Béla Bartók
Rhapsodie für Klavier und Orchester op.1
Radio-Sinfonieorchester Stuttgart, Dirigent Jiri Starek
Max Reger
Konzert für Klavier und Orchester op.114
Sinfonieorchester St. Gallen, Dirigent Reinhard Petersen
Wolfram Lorenzen, Klavier
Wolfram Lorenzen