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Béla Bartók unterrichtet Musik von Mozart

Ein Bericht der Pianistin Júlia Székely, einer Schülerin Prof. Béla Bartóks an der Musikakademie Budapest:

Béla Bartók, der Meister des Maßes, der Form und der Ordnung offenbarte sich in seinem Unterricht genauso wie in seiner Arbeit als Komponist und Interpret. Der systematisch arbeitende, ordnungsliebende, disziplinierte Gelehrte forderte von seinen Klavierschülern unerbittlich die gleiche kompromißlose Beharrlichkeit wie von sich selbst.

Bei Klavierwerken von Mozart kontrollierte Bartók, ob dem Schüler die Instrumentationsregeln in Mozarts Orchesterwerken klar waren. Wir mußten wissen, welche Stimme Mozart den Streichern, welche den Klarinetten gegeben hätte, wenn aus dem fraglichen Stück nicht der Satz einer Sonate, sondern einer Sinfonie geworden wäre. Die Klärung der Instrumentationsfrage erleichterte den Weg zur Interpretation des Werkes.

Die ‚heitere’, ‚graziöse’ Mozartmusik und das daran geknüpfte falsche Bild zerrannen unter Bartóks Händen. Diese unzutreffenden Attribute hängte man nämlich in den zwanziger Jahren dem Namen und der Musik Mozarts an. Auch Fachleute, vor allem Pianisten, erlagen dieser falschen Vorstellung. Es war weltweit üblich, Mozarts Klavierwerke ‚lieblich’, ‚graziös’ darzubieten.

Durch Bartók lernten wir einen neuen Mozart, den wahren, kennen. Ein hartes, beinahe pochendes forte, kein verfeinertes, sondern ein gleichmäßig sprechendes piano, ein unangreifbarer, geschlossener Aufbau, nirgends Rührseligkeit, keine Effekthascherei und erst recht kein virtuoses Brillieren.

Noch Jahrzehnte nach Bartók, bis in die sechziger Jahre, wurden Mozarts Klavierwerke, von wenigen Ausnahmen abgesehen, weiterhin im Zauberkreis des Wiener Bildnisses verfälscht. Nach Bartóks Tod suchte ich nostalgisch nach dem wahren Mozart, bis ich ihn in einem Konzert im vergangenen Jahr endlich wiederfand.

An einem Abend im Fészek Künstlerklub wurde er bei der Interpretation vierhändiger Mozartsonaten durch Zoltán Kocsis und Dezsi Ránki wiedererweckt. Aber welches Zerstörungswerk die vergangene weltweite Mode im Publikumsgeschmack angerichtet hatte, zeigte sich bei diesem Konzert. 

In der Pause verlangte das Publikum (auch Fachleute und diplomierte Musiklehrer) empört die Verwirklichung ihrer eigenen Vorstellung. Etliche erklärten, das sei kein Mozart; ‚die spielen gegen Mozart’. Solche und ähnliche Bemerkungen wurden laut. Zur besseren Einsicht konnte ich nur diejenigen bewegen, denen ich mein Ehrenwort gab, daß Bartók Mozarts Klavierwerke genauso aufgefaßt hatte. Aber das glaubten nur die, die sich allmählich besannen und wieder an Bartók, den Pianisten, erinnerten. Und das waren nur sehr wenige.

Bei Mozarts Werken sollten wir an die Gemälde des Rokoko denken, an ihre sonnenbeschienenen Farben. Das forte verglich Bartók mit dem scharfen Sonnenlicht, das piano mit dem Schatten, der sich bei starkem Sonnenschein über Menschen und Dinge legt. Bei Sonnenlicht haben die Dinge im Schatten dunklere Farben als sonst, ohne Licht und Schatten. Diese Lichtkontraste sind jedoch nicht ein Resultat stilisierender Verzierung, sondern vielmehr realer Naturdarstellung. So sind das Mozartsche forte und piano: greller Sonnenschein und fahler, aber deutlich wahrnehmbarer Schatten.

© Verlag Ungarisches Institut, München 1995,
    Mit freundlicher Genehmigung


Júlia Székely
Mein Lehrer Béla Bartók
Verlag Ungarisches Institut, München 1995




 
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