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TRO-CD 01408 - Fanny Mendelssohn Hensel

Neue Zeitschrift für Musik

Komponierende Frauen hatten es im 19.Jahrhundert schwer, anerkannt zu werden, selbst wenn sie einer solch „aufgeklärten“ Familie entstammten wie der der Mendelssohns. Fanny Mendelssohn, musikalisch wohl ebenso begabt wie ihr Bruder Felix und mit diesem gemeinsam unterrichtet und ausgebildet, wurde es vom Vater verwehrt, über den Familienkreis hinaus in die Öffentlichkeit zu wirken. Sie müsse sich „ernster und emsiger“ zu ihrem „eigentlichen Beruf eines Mädchens, zur Hausfrau bilden...“, meinte dieser.

Vom Komponieren ließ Fanny sich trotzdem nicht abhalten und hinterließ ein noch immer nicht ganz erschlossenes Œuvre nicht nur an Liedern („kleinformatigen“ Arbeiten, wie man sie in damaliger Zeit den „schwachen“ Kräften einer Frau immerhin zugestand), sondern auch an großdimensionierten Arbeiten.

Die vorliegende Neueinspielung enthält drei zentrale Werke des Kammermusikschaffens von Fanny Mendelssohn Hensel: das As-Dur Klavierquartett von 1822, das Es-Dur Streichquartett von 1834 und das 1846/47, kurz vor dem frühen Tod der Komponistin, entstandene Klaviertrio in d-Moll.

Diese drei in zeitlichem Abstand entstandenen Werke sind so recht geeignet, die Entwicklungskurve von Fanny Mendelssohn Hensels Schaffen zu umreißen: Dabei bildet das Klavierquartett der knapp Siebzehnjährigen einen erst tastenden Versuch, satztechnisch noch unausgereift, doch in der Musiksprache der Gegenwart schon voraus, unterwegs in Neuland. So merkwürdig steif und konventionell oft die Behandlung der Begleitstimmen wirkt, so wenig hier noch die Möglichkeit der Instrumente im Einzel- und Zusammenspiel ausgenutzt scheinen, so frappant wirkt die harmonische Phantasie, die in ihrer Eigenwilligkeit auf einem schmalen Grat zwischen Verstoß und Genialität balanciert.

Das Streichquartett und das späte Klaviertrio zeigen satztechnisch weit größere Reife, sind aber in ihrer Formanlage ebenso eigenwillig wie das Frühwerk. Das Streichquartett in Es, aus dem man Fannys Auseinandersetzung mit den Werken Beethovens herauszuhören meint, beginnt mit kürzeren Adagio- bzw. Allegretto-Sätzen und verlagert seinen Schwerpunkt auf die folgende „Romanze“ und das abschließende „Allegro molto vivace“. Und das Klaviertrio, das den Klang in fast orchestrale Dimensionen weitet, ersetzt einen Scherzosatz durch ein vergleichsweise miniaturhaftes „Lied“.

Das Es-Dur Quartett erfährt auf der vorliegenden CD eine zupackende Interpretation durch das Fanny Mendelssohn Quartett, das sich seit seiner Gründung 1986 vielfach der Werke komponierender Frauen wie Ethel Smyth, Grażyna Baciewicz oder Germaine Tailleferre angenommen hat. Der Klavierpart der übrigen Werke, dem man anmerkt, welch vorzügliche Klavierspielerin Fanny Mendelssohn Hensel gewesen sein muß, ist bei dem Pianisten Stefan Mickisch nicht nur technisch in besten Händen. Mickisch gehen die brillanten Passagen des Frühwerks ebenso locker von der Hand wie der massive Satz im späten Trio; er weiß sich nötigenfalls diskret zurückzuhalten, in wogenden Figurationen einen zarten Klaghintergrund zu schaffen, aber auch energisch zu führen, Leidenschaft und Feuer zu entfachen.
Gerhard Dietel

The Musical Times, 11/1993

…Worthy of a hearing is the String Quartet in E-flat (1834), full of warm, mature ideas, and original textures…
…genuinely attractive music. If TROUBADISC’s agenda offers such exciting experiences as those contained in Hensel’s Quartet in E-flat, Boulanger’s Les heures claires, Tailleferre’s Image, and Bacewicz’s  Quartets, its harem politics are irrelevant.
Patricia Howard


Fanfare

...this is a strong, impassioned, and memorable reading of the quartet and trio and Mickisch is a first-class executant. I admire Eggebrecht for going to the labor and expense of recording these works and I hope that the effort off in increased record sales as it certainly does in artistic achievement…

FonoForum, 11/1995

Den stärksten musikalischen Eindruck vermittelt Fanny Mendelssohn Hensel (1805-1847). Sie studierte zusammen mit ihrem Bruder Felix Komposition beim Goethe-Freund Carl Friedrich Zelter und komponierte intensiv bis zu ihrer Eheschließung (1829) mit dem königlich-preußischen Hofmaler Hensel. Ihre enorme Begabung zeigte sich bereits in dem frühen Klavierquartett As-Dur von 1822.

Besonders das Larghetto und der letzte Satz – mit dominantem Klavierpart – beeindrucken. Höhepunkt der Aufnahme ist das Streichquartett Es-Dur von 1834. Dramatischer Tiefgang und formales Format deuten vor allem im vorletzten, mit „Romanze“ überschriebenen Satz auf eine intensive Beschäftigung mit Beethoven hin. Das späte Klaviertrio d-Moll von 1846/47 wirkt (trotz ziemlicher Emphase im ersten Satz) demgegenüber schon verinnerlichter und abgeklärter.

Eine hochkarätige, anspruchsvolle Kammermusik, die viel mehr Beachtung verdiente und die durch die engagierte Interpretation des Ensembles großes Kaliber erlangt.
Klaus P. Richter
 
Frankfurter Allgemeine Zeitung, 12.09.1996
Mit meiner Musik ziemlich allein
Kammermusikwerke von Fanny Mendelssohn Hensel

Daß es Fanny Mendelssohn Hensel kaum vergönnt war aufzutrumpfen, um ihr Talent gegen den Willen von Vater Abraham und Bruder Felix durchzusetzen, erscheint angesichts ihrer temperamentsprühenden Kammermusik um so tragischer.

„Kräht ja doch kein Hahn danach und tanzt niemand nach meiner Pfeife“, klagte sie in einer schöpferischen Krise. Die stetige Weigerung des Bruders, der Herausgabe ihrer Werke zuzustimmen oder sie gar zu fördern, war an dieser Resignation nicht schuldlos. „Felix, dem es ein leichtes wäre, mir ein Publikum zu ersetzen, kann mich auch nur wenig aufheitern, und so bin ich mit meiner Musik ziemlich allein.“

Die 1805 geborene Fanny war eine hervorragende Pianistin und kluge Interpretin der Werke Beethovens. Seiner Musik fühlte sie sich auch als Komponistin besonders verwandt. Kompositionsunterricht erhielten sie und der gut drei Jahre jüngere Bruder seit 1819 bei dem Goethe-Freund Carl Friedrich Zelter. 1822, im selben Jahr wie Felix, legte das junge Mädchen ein dreisätziges Klavierquartett vor. Das As-Dur-Werk, Gesellenstück der Hochbegabten, zeigt deutlich den Einfluß der Klassiker und Bachs. Mit seinem brillant-heiteren bis dramatischem Gestus und den einschmeichelnden Melodien ist es ein Jugendwerk im besten Sinne.

Einen guten Teil ihrer Überzeugungskraft gewinnt die Musik Fanny Mendelssohns aus der engagierten Interpretation. Das 1986 gegründete Fanny Mendelssohn Quartett, das sich vor allem durch Einspielungen der Kammermusik von Frauen (Ethel Smyth, Gloria Coates und Violeta Dinescu) einen Namen machte, musiziert die Werke seiner Namenspatronin fesselnd, leidenschaftlich und virtuos.

Emotionaler Tiefgang und Souveränität in der formalen Gestaltung machen das Es-Dur Streichquartett (1834) und das aufgewühlte Klaviertrio aus Fanny’s und Felix’ Todesjahr 1847 unwiderstehlich. Zwei Meisterwerke voll Wärme, Spannung und Biß in adäquater Wiedergabe.

Aber das Diktum von Vater und Bruder, Fanny solle sich ihrem „eigentlichen“ Beruf als Hausfrau widmen, dem „einzigen Beruf eines Mädchens“, scheint fortzuleben. Im Konzert kommt sie nur selten vor.
Hilde Malcomess





 
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(18.07.2014 - 14:25 Uhr)

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Kammermusik

Klavierquartett As-Dur (1822)
Streichquartett Es-Dur (1834)*
Klaviertrio d-Moll op.11 (1847)

Fanny Mendelssohn Quartett
Renate Eggebrecht, Violine
Friedemann Kupsa, Violoncello
Stefan Mickisch, Klavier

Fanny Mendelssohn Quartett

 

 

 

 

 

 

 

 

Haus der Familie Mendelssohn,
Leipziger Straße 3, Berlin

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Fanny und Wilhelm Hensel

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Fanny Mendelssohn Hensel

(Zeichnung von Wihelm Hensel)