Wiesbadener Anzeiger, 14. November 2008
Teils bewegend, teils bewegt
Renate Eggebrechts Violin Solo 4
»Renate Eggebrecht entlockt ihrem technisch hochvirtuos geführten Instrument zahlreiche unerwartete Zwischentöne, die fast vergessen machen, dass hier ,nur‘ eine Geige spielt,« meinte der Berichterstatter des Magazins fermate (III/08) nach Anhörung des Violin Solo No. 3, auf dem Renate Eggebrecht mit ihrer inzwischen bekannten, bogenhaarsträubenden Risikobereitschaft das gesamte Solowerk von Paul Hindemith nebst Kompositionen von Anatol Vieru und Vladimir Martynow zu einer atemberaubenden Suite über das schier Unmögliche verbindet.
Breiter noch ist das Spektrum der vierten Solo-CD aus dem Hause Troubadisc angelegt. Bewegende Klänge hören wir von dem einstigen Säbeltänzer Aram Chatschaturjan, der sich mit je einer Sonate für Violine, Viola und Violoncello verabschiedete; von Ernest Bloch, an dem in seinen späten Solosuiten noch einmal die barocke alte Welt vorüberzog; und schließlich in der ergreifend sparsamen Élégie, die Igor Strawinsky 1944 zum Tode von Alphonse Onnou, dem Gründer des Quatuor Pro Arte, komponiert hat.
Wesentlich bewegter ist der zweite Teil des Programms, in de m die Geige zum einen von Alfred Schnittke in einer geradezu teuflischen Hommage an den Teufelsgeiger Paganini glüht und schließlich von Grazyna Bacewicz zu ebenso grenzenloser wie origineller Virtuosität gepeitscht wird, obendrein können wir, wie so oft bei der faszinierenden Dame mit dem »kleinen inwendigen Motor«, wieder einmal eins ganz deutlich machen: Wenn jemand wirklich komponieren will, braucht’s keine Genehmigung, keine Lizenz, keine »verständnisvolle« Umwelt, sondern nur Ideen und Können.


